Die Grundrente – Der Kompromiss von CDU/CSU und SPD
Die Grundrente als Zuschlag auf die gesetzliche Rente soll zum 01.01.2021 in Kraft treten. Dabei geht es insgesamt um die Daten von 21 Mio. Rentnern, das entspricht etwa 25 % der Bevölkerung, wobei die Profiteure lediglich die „Geringverdiener“ mit mindestens 35 Beitragsjahren sein sollen.
Die Präsentation von Dr. Winfried Breil zur Grundrente ist hier per Klick abrufbar.
Geringverdiener, Geringfügig Beschäftigte, Grundsicherung
Geringverdiener verdienen derzeit weniger als 10,80 €/Stunde brutto, sie sind sozialversicherungspflichtig, aber der Arbeitgeber übernimmt die Beiträge. Es sind 8 Mio. Menschen im Niedriglohnsektor mit geringen Aufstiegschancen, das sind 24% aller abhängig Beschäftigten, besonders Frauen, Alleinerziehende und „unterbrochene Erwerbsbiographien“ (z. B. Reinigungskräfte, Friseurinnen, Lagerarbeiter oder Hotelangestellte).
Geringfügig Beschäftigte sind Dauer- Minijobber (auch 8 Mio. Menschen) mit derzeit maximal 450 €/Monat. Sie sind nicht sozialversicherungspflichtig und werden auch keine Grundrente bekommen.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist im SGB XII geregelt und soll das Existenzminimum sichern (§ 27 a). Grundsicherung kann beantragt werden, wenn das Einkommen unter 865 €/ Monat liegt, Minister Hubertus Heil (SPD) sah noch 896 € vor. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger hat sich in der Zeit von 2003-2018 mehr als verdoppelt (siehe Schaubild: „Steigende Sozialhilfe").

Sollvorgabe: Grundrente über 10 % der Grundsicherung
Profitieren sollen 1,2 bis 1,5 Mio. Rentner (davon 80 % Frauen), Heil sah noch 3-4 Mio. Rentner vor. Die Kosten sollen bei 1,0 bis 1,5 Mrd. € / Jahr liegen. Heil bezifferte sie ursprünglich auf 3,8 bis 5 Mrd. € / Jahr (alles Schätzungen).
Die Finanzierung soll erfolgen durch eine neue Finanztransaktionssteuer ab dem 01.01.2021 mit 1 Mrd. €, der Rest von 500 Mio. € durch das BMAS.
Einkommensgrenzen und Aufgabe des Äquivalenzprinzips
Bei Alleinstehenden muss das zu versteuernde Einkommen unter 1.250 €/Monat liegen, bei Paaren unter 1.950 € / Monat. Ein selbstgenutztes Eigenheim oder eine Eigentumswohnung sollen beim Freibetrag keine Rolle spielen. Die Höhe der Abschläge bei geringfügig höherem Einkommen ist noch offen.
Das Äquivalenzprinzip der Rentenversicherung (Leistung und Gegenleistung) wird zum Bedauern des Landesvorstands der Senioren-Union Baden-Württemberg leider aufgegeben, denn die Auszahlungen hängen nicht mehr nur von der Höhe der Einzahlungen ab.
Keine Bedürftigkeitsprüfung, kein Antrag beim Amt
Die „Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV)“ in Berlin soll die Grundrente berechnen (siehe Schaubild: „Die Grundrente - Prüfung und Berechnung“) und auszahlen. Eine „umfassende Einkommensprüfung“ wird von ihr ebenfalls übernommen, sie erhält dazu die Daten von den Finanzämtern. Geprüft werden Einkommen und Kapitalerträge, nicht aber Vermögen oder Wohnungseigentum.
Es soll keine Bedürftigkeitsprüfung geben wie bisher stets von der CDU/CSU gefordert. Der Gang zum Amt und ein Antrag bleiben erspart. Heil nennt das „unbürokratisch und bürgerfreundlich“.

Bewertung durch die Akteure, Kritik der DRV und die "Babyboomer“
Am Ende der Verhandlungen meinte Markus Söder (CSU): „Die Kuh ist vom Eis“. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bezeichnete den Kompromiss als ein „vertretbares Ergebnis“. Malu Dreyer (SPD) nannte das Ergebnis einen „sozialpolitischen Meilenstein“.
Gundula Roßbach, Präsidentin der DRV, übt in der Stuttgarter Zeitung vom 14.11.2019 deutliche Kritik: "Die DRV soll die gesamte Abwicklung der Grundrente übernehmen, alle Beitragszeiten und Einkommen überprüfen, das sind Einkommensdaten der Finanzämter von 21 Mio. Rentnern, das benötigt mindestens zwei Jahre." Die DRV brauche dafür mehrere Tausend zusätzliche Personalstellen. Es sei unklar, ob die ausländischen Finanzämter bei den dort lebenden deutschen Rentnern mitmachen. Es sei unsicher, ob die 1992 übernommenen DDR-Bestandsrenten vollständig seien. Besonders problematisch sei die Finanzierung durch die Finanztransaktionssteuer, denn man wisse nicht, wann sie kommt und ob sie die Kosten decke.
Mit diesem Kompromiss ist die Gesamtproblematik von Rente und Grundrente freilich noch lange nicht beendet, denn die „Babyboomer“ kommen und im Jahr 2040 wird über die Hälfte der Bevölkerung über 64 Jahre alt sein (siehe Schaubild: "Wenn die Babyboomer in Rente gehen“).

Quellen: siehe jeweilige Legende der Abbildungen