27.03.2019

Demokratisch ins Recht gesetzt

Die Diskussionen um das neue Urheberrecht hatten sich in den letzten Tagen vor der Entscheidung des Europaparlaments in Höhen hochgeschaukelt, die Angst machen müssen. Angst, dass sich bei demokratischen Gesetzgebungsverfahren vermehrt Widerstände auf der Straße und vor allem in den anonymen digitalen Netzwerken formieren, die geeignet sind, den Boden einer demokratischen, zivilisierten Gesellschaft zu dekontaminieren. Oder was soll man sonst von den Verunglimpfungen, Beleidigungen, Herabwürdigungen und sogar Morddrohungen halten? Was oder wessen Interessen stecken eigentlich hinter solchen Auswüchsen?

 

Schutz geistigen Eigentums

Sowohl Befürworter als auch Gegner der Urheberrechtsnovelle bekennen sich ausdrücklich zum Kerngedanken des Urheberrechts, dem Schutz des geistigen Eigentums. Das ist für die Gegner der Urheberrechtsnovelle zweifelsohne ehrenhaft. Aber der Blick in die Gepflogenheiten des "World-Wide-Web" spricht eine andere Sprache. Da wird munter up- und downgeloaded, seien es Artikel, Videos oder Fotografien.

Und es geht wahrlich nicht nur um eine kleine Schar von vermeintlich exzentrischen Künstlern oder klammen Verlagen. Es geht um alle, die Erkenntnisse, Ideen und Kreativität in Bild, Ton und Text überführen. Die geistige Leistung, die dahinter steht, ist Eigentum des Leistungserbringers. Und Eigentum ist zu schützen vor fremdem, unerlaubtem Zugriff - wie sonst in allen anderen Lebenslagen auch.

Wenn die Gegner der Urheberrechtsnovelle in diesem Zusammenhang von "Einschränkung der Freiheit" sprechen (und eigentlich bedingungslose Freizügigkeit meinen), so ist das abwegig. Eingeschränkt wird nur jene "Freiheit", die sich so manche herausnehmen, wenn sie sich am Eigentum anderer einfach bedienen - und da muss der Rechtsstaat eben auch den virtuellen Riegel vorschieben. Wenn sich also auch die Gegner der Urheberrechtsnovelle auf der Seite des Schutzes des geistigen Eigentums sehen, dann sollte man sich bewusst machen, dass die reklamierten Freiheiten respektive die Freizügigkeit nicht zu Lasten Dritter gehen dürfen.

 

Barriere gegen "Ideenklau"

Weil das Internet unerschöpflich scheint und es sehr einfach und bequem ist, Informationen aller Art zu jeder Zeit abzurufen, vermittelt dies ein Gefühl der grenzenlosen Freiheit. Eine Freiheit, die mal eben mit demokratischen Freiheiten gleichgesetzt wird, um angesichts rechtlicher Schranken eine Bedrohungskulisse zu zeichnen. Die Partei der "Piraten" legt sich hier in den Auseinandersetzungen besonders ins Zeug. Steht doch ihr Parteiname für die Gepflogenheiten im Web, denen die Urheberrechtsnovelle nunmehr begegnet. Aber sie befinden sich ja in zunehmend "guter Gesellschaft". Reihenweise knicken die Barleys und Lindners dieser Republik ein, sie treibt die schiere Angst vor Stimmenverlusten vornehmlich aus dem Lager der Jungwähler.

Hilfreich stattdessen wäre der Blick über den großen Teich, wo selbst die amerikanische Linke längst erkannt hat, dass in der virtuellen Welt gehörig etwas schief läuft. Gleichwohl hält sich hierzulande hartnäckig die Vorstellung, man könne bei der Umsetzung der neuen Richtlinie in nationales Recht noch einen ordentlichen Schuss Weichspüler hinzufügen. Das Reizwort hierbei lautet: Uploadfilter. Den wollen auch bereits einige aufgeschreckte Unionspolitiker verhindern. Freilich geht es der Gesetzesnovelle nicht um Uploadfilter, sondern um Lizenzen für die Zweitverwertung von Inhalten etc. Wer aber von vornherein Uploadfilter ausschließt, macht sich (unfreiwillig) zum Gehilfen der Internet-Riesen Google, Apple, Facebook und Amazon, die von der Internet-Gesellschaft merkwürdig zärtlich nur noch "GAFA" genannt werden. Diese Konzerne haben nur eines im Blick, nämlich jene Werbeeinahmen, die sie letztlich auch auf der Grundlage von nutzerseitigen Urheberrechtsverletzungen verdienen. Und das verdient wiederum keine Duldung, denn es gibt hier kein Anrecht auf Freibriefe.

 

Grenzsteine für die Internet-Giganten

Welchen Grund gibt es eigentlich, den "GAFAs" ihr krakenartiges weltweites Geschäft zu erleichtern? Kümmern sie sich vehement um Datenschutz? Sind sie großartige Steuerzahler hierzulande? Helfen sie akribisch bei der Aufklärung von Hetze und Datenklau im Netz? Scheinbar weit weg - im Silicon Valley - sitzen sie, die Internet-Giganten. Ihre lange Nase reicht allerdings bis nach Europa, wenn man nur z. B. an die inszenierten Auftritte eines Mark Zuckerberg vor Europaabgeordneten denkt.

Schon bei der EU-Datenschutznovelle haben die "GAFAs" reichlich Ungemach für ihr ungezügeltes Geschäftsgebahren gewittert, gleiches jetzt bei der Novellierung des europäischen Urheberrechts. Nein, natürlich hat niemand aus dem romatischen Silicon Valley versucht, Einfluss auf die Internet-Gesellschaft zu nehmen. Wo aber entsprang der Tsunami automatisierter Mails im letzten Jahr und warum ermittelt die Landesanstalt für Rundfunk in Nordrhein-Westfalen gegen Youtuber, denen angeblich Geld für politische Aussagen geboten wurde? Von wem, wer hätte sonst noch ein ökonomisches Interesse daran?

Unverständlich ist aber vor allem, weshalb es den auf der Straße versammelten Gegnern der Urheberrechtsnovelle scheinbar völlig entgeht, dass sie auch ein Schutzschild für die Internet-Giganten aufbauen, für deren Treiben die Grünen-Politikerin Helga Trüpel eine sehr griffige Formel parat hat: "Turboplattformkapitalismus".

(Titelbild: Fotolia by Adobe / © C. Horz)

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