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Bild: Hannelore Wied

Bezirksverband Südbaden

Auf Einladung von Frau Ehlers, Beisitzerin im Bezirksvorstand, die General Eberhard Zorn aus seiner Kommandeurzeit in Immendingen kennt, hielt er am 14. Juli 2022 einen Vortrag „Zur Zeitenwende für die Bundeswehr“ im Kurhaus in Titisee-Neustadt. Er spannte einen weiten Bogen von der aktuellen weltpolitischen Lage bis zu den Folgen der Zeitenwende für die Bundeswehr.
Aktuelle Lage in der Ukraine Die Konzentration großer Heeresverbände an der nördlichen, östlichen und südlichen Grenze der Ukraine war zum Jahreswechsel 2021/22 bekannt und aufgeklärt, dennoch behauptete Putin immer wieder, dass dies ausschließlich mit lang geplanten Truppenmanövern zusammenhänge. Ein Angriffskrieg von Russland war nicht vorstellbar und deshalb auch nicht mittelfristig vorhersehbar. Die aktuelle militärische Beurteilung der Lage kommt zu dem Schluss, dass die russischen Streitkräfte nur langsam aber stetig Gelände in den östlichen Oblasten gewinnen, vermutlich bis Ende August/Anfang September die beiden Oblaste Luhansk und Donetsk komplett eingenommen haben und damit ein Minimalziel erreicht haben. Die Ukraine verteidigt nach NATO-Standard, zu dem sie seit 2014 ausgebildet wurde, ist aber materiell z.T. um das zehnfache unterlegen. Es muss auch klar gesagt werden, dass Russland derzeit im Schwerpunkt Landstreitkräfte einsetzt, aber weitere Reserven besitzt und Luftwaffen- bzw. Marinekräfte nur in geringem Maße zum Einsatz bringt. Welche weiteren Ziele Russland verfolgt, weiß derzeit keiner, aber es muss befürchtet werden, dass Russland weitermacht.
Neue NATO-Strategie
Die NATO hat auf den russischen Angriffskrieg mit einer neuen Strategie geantwortet und will bis 2025/26 die derzeitigen schnellen Eingreifkräfte von 30.000 auf eine Stärke von 300.000 erweitern, wovon Deutschland 15.000 Soldaten/-innen zugesagt hat. Diese deutliche Erhöhung der ständig einsatzbereiten und kurzfristig verlegbaren Truppenteile hat auch gravierende Folgen für deren familiäres Umfeld. Hinzu kommt, dass Deutschland sich auch wieder mehr mit größeren Truppenverlegungen und Marschkolonnen auf den Autobahnen einstellen muss. Gleichzeitig darf nicht unterschätzt werden, dass China seine Streitkräfte weiter verstärkt und diese Region ein zusätzlicher Krisenherd werden kann.
Deutschland muss resilienter werden Viele Länder in Europa, zu denen auch Deutschland zählt, haben sich stark von Energie- und Rohstofflieferungen aus Russland abhängig gemacht. Die aktuelle Energiesituation mit Blick auf den kommenden Winter zeigt uns, dass eine Diversifizierung der Energiequellen zwingend ist und auch in anderen Industrie-bereichen die Eigenständigkeit wieder mehr in den Vordergrund gestellt werden muss. Zeitenwende für die Bundeswehr Deutschland hat nach der Wiedervereinigung im Rahme der sog. Friedensdividende seine Streitkräfte im Personal- und Materialumfang sehr stark reduziert und verfügt derzeit über ca. 178.000 Soldaten/-innen und davon sind aktuell 3.000 im Auslands-einsatz. Zu den Hochzeiten der Coronapandemie waren 20.000 Bundeswehr-angehörige im Inland zu verschiedenen Dienst- und Unterstützungstätigkeiten abgestellt. Dies führte auch zu einer deutlichen Reduzierung der Ausbildungs- und Übungstätigkeit, die nun schrittweise über 1,5 Jahre wieder aktiviert werden muss. Bereits im Rahmen der Koalitionsverhandlungen wurde über die eklatanten Ausrüstungs- und Beschaffungslücken diskutiert und verhandelt, jedoch ohne konkrete Absichten. Erst der Ukrainekrieg hat den unmittelbaren und auch überraschenden Anstoß gegeben zu dem nunmehr bekannten 100 Mrd-Paket. Hierin sind weder die Kosten für mehr Personal noch z.B. für die zwingend notwendige Munitionsbeschaffung (20 Mrd.) inkludiert. Munition kann aber nun endlich über den laufenden Haushalt beschafft werden, da geplante andere Rüstungsprojekte über das Sonderprogramm realisiert werden.
Nationale Sicherheitsstrategie Deutschland wird bis Ende des Jahres nun – wie andere Länder – eine ressort-übergreifende nationale Sicherheitsstrategie entwickeln und damit die bisherigen Weißbücher ablösen. Hierin werden dann auch die Auslandseinsätze aus verschiedenen Perspektiven dargestellt und zusätzlich die Funktion Deutschlands als Drehscheibe für Personal und Material für mögliche Einsätze in osteuropäischen NATO-Staaten beschrieben. Aber auch die NATO hat erstmals wieder Verteidigungs-pläne für osteuropäische Staaten entwickelt.
Aussprache In der anschließenden Aussprache wurden neben den Aspekten einer allg. Dienst-pflicht oder der Wiederaktivierung der Wehrpflicht auch über das Ansehen der Bundeswehr und seiner Soldaten/-innen gesprochen. Dankbar zeigt sich der Generalinspekteur, dass in einem Statement ein großes Lob zum hohen Einsatz der Soldaten/-innen zum Ausdruck gebracht wurde. Er selbst stellte fest, dass der militärische Ratschlag derzeit sehr detailliert und ausführlich auf allen politischen Ebenen wie selten zuvor nachgefragt wird. Zum Abschluss trug sich General Zorn ins Goldene Buch der Stadt Titisee-Neustadt ein.

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